ODARA
Autorisierte deutsche Übersetzung
Gerth, J., Rossegger, A., Urbaniok, F., Endrass, J. (2014): Das Ontario Domestic Assault Risk Assessment (ODARA) – Validität und autorisierte deutsche Übersetzung eines Screening-Instruments für Risikobeurteilungen bei Intimpartnergewalt. Publiziert in: Fortschritte der Neurologie-Psychiatrie. 82(11), 616-26.
Die Übersetzung vom Englischen ins Deutsche erfolgte durch oben genannte Autoren. Die deutsche Übersetzung wurde von einem Native Speaker ins Englische rückübersetzt, der blind für die englische Originalversion war. Die deutsche Übersetzung und die englische Rückübersetzung wurden den Autoren des ODARA sowie dem Verlag, in dem das Buch erschienen ist, zur Prüfung vorgelegt und von diesen freigegeben.
Assessment
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Definition des Indexdelikts
Der Index-Übergriff sollte für jedes Assessment der zeitnahste polizeilich bekannte Vorfall sein, bei dem der Mann gewalttätig gegenüber einer Lebenspartnerin wurde. Der Index-Übergriff erfordert physischen Kontakt mit dem Opfer, oder eine glaubhafte Todesdrohung mit einer Waffe in der Hand in ihrer Anwesenheit. Eine Lebenspartnerin ist definiert als eine Frau, mit der der Täter verheiratet ist oder war, in einer Lebensgemeinschaft lebt oder lebte oder für irgendeine Zeitperiode zusammenlebt oder zusammenlebte.
Das ODARA kann ebenso bei einem Fall angewendet werden, bei dem ein Übergriff gegen eine Frau vorliegt, mit der der Mann zwar keine Lebenspartnerschaft führte, aber in einer intimen Beziehung ist oder war.
Damit ein Vorfall häuslicher Gewalt als Index-Übergriff gelten kann, ist es nicht notwendig, dass deswegen Anklage erhoben wurde. Falls beim zeitnahsten Vorfall nicht eindeutig Gewalt gegen eine Partnerin involviert ist, kann ein früherer Vorfall, der die Einschlusskriterien erfüllt, als Index-Übergriff verwendet werden.
Beurteilende sollten jeden Ereignisbericht der Polizei als einen separaten Vorfall zählen. Bei einem Cluster von Übergriffen, die der Polizei zum selben Zeitpunkt berichtet werden, ist der zeitnahste infrage kommende Übergriff, der mindestens 24 Stunden nach einem früheren Übergriff stattfand, der Index-Übergriff. Mehrere infrage kommende Übergriffe innerhalb von 24 Stunden zählen als ein Index-Übergriff. Diese Cluster-Regel gilt auch, um frühere Vorfälle häuslicher und nicht-häuslicher Gewalt zu identifizieren.
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Definition von Rückfälligkeit
Vorfälle, die sich zeitlich nach dem Index-Übergriff ereigneten und bei denen eine Gewalthandlung stattfand, erfüllen die Definition von Rückfälligkeit mit häuslicher Gewalt. Jede der folgenden Handlungen wird in der Definition von Gewalt eingeschlossen: hielt sie fest, warf etwas nach ihr, das für sie schmerzhaft sein könnte, verdrehte ihren Arm oder zog an ihren Haaren, stiess oder schubste sie, packte sie (schliesst ein, an ihr zu zerren und sie hinter sich herzuziehen), ohrfeigte sie (schliesst ein, sie zu schlagen), fügte ihr andere geringfügige Gewalt zu (z.B. schüttelte sie), schlug sie mit der Faust oder etwas, das für sie schmerzhaft sein könnte, würgte sie (schliesst ein, sie am Nacken oder Hals zu packen, sie in den Schwitzkasten zu nehmen), schlug sie heftig gegen eine Wand, „schlug sie zusammen“, verbrannte oder verbrühte sie absichtlich, trat sie, verwendete ein Messer oder eine Schusswaffe gegen sie (d.h. tatsächlicher oder versuchter Kontakt mit dem Körper des Opfers, schliesst ein, eine Schusswaffe zu entladen, während mit dieser auf das Opfer gezeigt wird oder die Androhung physischer Schädigung mit einer Waffe in der Hand), und fügte ihr andere schwere Gewalt zu (z.B. hob sie auf und stiess sie weg, versetzte ihr einen Kopfstoss, stiess sie die Treppen hinunter, biss sie).
Zusätzlich gilt jede Form von Druck als Gewalt, mit der das Opfer gegen ihren Willen zu einem sexuellen Kontakt gezwungen wurde. Dieselben Kriterien für Gewalt gelten für die Kodierung von Vorfällen früherer häuslicher oder nicht-häuslicher Gewalt.
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Einholen notwendiger informationen
Manchmal sind lediglich wenige Informationen über den aktuellsten Vorfall vorhanden, und Beurteilende sollten weitere Informationen einholen, bevor der Index-Übergriff bestimmt wird.
Polizeiliche Register oder Vorstrafenregister über den Täter sind essentielle Informationsquellen und die Anwendung des ODARA sollte zurückgestellt werden, bis entsprechende Informationen vorliegen. Es ist ebenso empfehlenswert, das Opfer zu befragen oder Dokumentationen aus einer Opferbefragung einzuholen, insbesondere über ihre Kinder.
Das Fehlen von Informationen ist üblicherweise kein Grund, einen anderen Vorfall als den Index-Übergriff zu wählen, sondern Anlass zu prüfen, ob weitere Unterlagen über den Fall eingeholt werden können.
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Itemwertung
Einige ODARA-Items werden in Bezug auf Merkmale des Index-Übergriffs gewertet. Andere werden aufgrund von Ereignissen gewertet, die vor dem Index-Übergriff stattfanden.
Informationen, die sich auf Ereignisse beziehen, die zu einem separaten Anlass nach dem Index-Übergriff stattfanden, werden bei einer ODARA-Wertung nie berücksichtigt. Jedes ODARA-Item wird mit 0 oder 1 bewertet und der Gesamtwert entspricht der Summe aller Itemwerte. Demnach können im ODARA Werte zwischen 0 und 13 erreicht werden.
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Fehlende Information
Items können als „unklar“ oder „missing“ bewertet werden, wenn anhand der vorliegenden Informationen nicht eindeutig beurteilt werden kann, ob das Merkmal vorliegt oder nicht.